Ben ist neu an der Schule, und er fällt auf, weil er einen Aluhut auf dem Kopf trägt, der ihn vor Strahlung schützen soll. Für die Fieslinge aus seiner Klasse ist er das perfekte Mobbingopfer.
Pippa, die nur ein paar Häuser von Ben entfernt wohnt, ist eine Einzelgängerin, weshalb Ben sie gleich als Freundin „adoptiert“. Mit Geduld, Humor und Selbstvertrauen versucht Ben, den Aggressionen aus dem Weg zu gehen, aber die Fieslinge geben nicht auf und irgendwann reicht es sogar Ben. Mit Pippa und einigen anderen Außenseitern heckt er einen Plan aus, der unerwartete Unterstützung bekommt. Die Fieslinge müssen sich an neue Regeln gewöhnen. Das ist für sie unangenehm, aber dafür geht es allen anderen jetzt besser.

Christian Kühn, Kibum Oldenburg

Als Pippa Ben das erste Mal sieht, liegt er mit dem Gesicht nach unten im Dreck hinter dem großen Goldglöckchenbusch im Park. Pippa mag die leuchtend gelben Blüten dieser Pflanzen, die auch Forsythien genannt werden. Sie blühen im Frühling und gehören zu den Ölbaumgewächsen. Solche Dinge spult Pippas Gehirn automatisch ab. Auch wenn es im Augenblick um ganz etwas anderes geht. Also ruft Pippa sich zur Ordnung, weil sie lernen muss – wie ihre Mutter immer sagt –, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
(…)
Das Wesentliche an der momentanen Situation ist, dass Ben im Dreck liegt, weil Marlon mit einem seiner knallroten Sneakers auf seinem Rücken steht. Als Schläger hat Marlon bei derartigen Vorgehensweisen durchaus Routine. Seine besten Kumpel, Lukas, Murat und Fred, feuern ihn lautstark an.
„Los, verpass ihm endlich eine!“
„Spuck ihn an!“
„Nimm ihm sein Pausengeld ab!“
Doch Marlon zögert. Und das ist erstaunlich, weil Marlon sonst nie zögert, wenn es darum geht, andere zu verhauen.
„Der ist doch behindert“, stellt er fest, lässt seinen Fuß aber sicherheitshalber auf Bens Rücken stehen. Man kann ja nie wissen.
„Der ist doch nicht behindert“, ruft Murat.
„Kein bisschen“, bestätigt Lukas.
„Nur dämlich“, sagt Fred. „Ziemlich dämlich, aber kein Spasti oder so was.“
„Trotzdem, wer so etwas auf dem Kopf trägt, kann nicht ganz richtig ticken.“
Schließlich nimmt Marlon doch noch den Fuß von seinem Opfer. „Lasst uns abhauen“, sagt er und die vier hauen ab. Einfach so.
Pippa schaut den Fieslingen nach. Marlons rote Sneakers leuchten im grünen Gras. Kaum vorstellbar, dass es Menschen gibt, die ausgerechnet Rot und Grün nicht auseinanderhalten können und nur als graues Einerlei wahrnehmen.
Der Junge liegt immer noch auf dem Boden und macht keinerlei Anstalten aufzustehen. Er trägt eine blaue und eine gelbe Socke. Pippas Blick bleibt daran haften. Ein Versehen kann das nicht sein. Spätestens beim Schuheanziehen fällt so etwas auf. Das ist aber nicht wesentlich, beschließt sie und nähert sich ein paar Schritte. Als der Abstand gering genug ist, dass sie ihn ansprechen kann, ohne laut zu werden, räuspert sie sich.
„Hallo!“, sagt sie.
Der Junge dreht den Kopf und wendet ihr den Blick zu.